Interplast Einsatz im Government Hospital Kenema in Sierra Leone

Interplast Einsatz im Government Hospital Kenya in Sierra Leone - Bericht Mareike Carstens

Nach 6 Stunden Autofahrt durch sehr grüne Landschaft kamen wir – ein 10 Köpfiges Team aus 4 Chirurgien, 2 Anästhesisten, 3 Op Schwestern sowie einer Anästhesie Schwester Montag Morgens endlich in Kenema, unserem Einsatzort, an. Kenema ist die Zweitgrößte Stadt Sierra Leones, liegt im Westen des Landes und hat ca. 200 000 Einwohner. Die Hauptstraßen sind seit diesem Jahr asphaltiert, die Stadt ist laut und dreckig und belebt, hier steht das Kenema Government Hospital, in dem wir arbeiten werden.

Am nächsten Tag starten wir gleich in der Früh im Krankenhaus, eine große Menschenmenge ist schon da, unser Einsatz wurde schon Wochen vorher im Radio angekündigt. Die traumatologische und Plastisch Chirurgische Versorgung ist außerhalb der Hauptstadt nicht vorhanden und selbst Basismedizinische Maßnahmen kann sich der Großteil der Bevölkerung nicht leisten.

In der kleinen Führung des Krankenhauses, die wir bekommen, sehen wir die verschiedenen Stationen mit etwa 20 Betten pro Zimmer: jeder bringt sein Bettzeug und Essen selber mit, deshalb ist es sehr bunt, Händedesinfektion gibt es nicht und wir werden mit großen Augen angeschaut und freundlich begrüßt. Seit dem Ebola Ausbruch 2015 stehen es aber Überall Infektionsmülleimer und bunte Zeichungen an den Wänden, die Hygienetips geben.

Nach der Tour beginnen wir mit der Arbeit

Wir teilen uns auf, die Op Schwestern fangen an, das mitgebrachte Material in die Op Säle einzusortieren, wir vier Chirurgen beginnen mit dem Screening der Patienten, die zu hunderten vor der Tür warten. Die Fälle sind sehr unterschiedlich zu unserem normalen Patientengut: Da die Leute hier an offenem Feuer kochen, gibt es häufig Verbrennungskontrakturen an Händen oder Armen, es kommen viele Menschen mit Pseudarthrosen, infizierten Knochen und offenen Wunden, da sie nach Unfällen in dem chaotischen Verkehr nicht behandelt werden. Die Menschen helfen sich dann selbst und binden sich zum Beispiel Aststücke zur Stabilisation um ein Infiziertes gebrochenes Bein, die meisten kommen mit verdreckten Binden, die wir nicht weg schmeißen dürfen, da sie diese wieder waschen werden. Wir sind zu fünft in unserem Untersuchungszimmer, es hat ca. 35°C und 100 % Luftfeuchtigkeit, immer wieder fällt der Strom aus. Einmal kommt ein 17 Jähriger Junge mit einer bunten Binde und sein Bein an einem dicken Ast als Stütze rein. Als er das Bein frei macht, sehen wir, dass sein Oberschenkelknochen ca. 5cm heraus ragt. Der Verkehrsunfall war 7 Monate her. Ein Anderer läuft seit 10 Jahren mit einem Infizierten Unterschenkel, den er in eine stinkende Tüte gewickelt hat, umher – er bittet um Amputation des Beines. Man wundert sich, was der menschliche Körper alles so aushält.Ein weiterer Fall beschäftigt uns sehr: eine 20 Jährige Frau hat nach einer Infektion vom Hals bis zur Brust dort keine Haut mehr, die Wunde ist stark entzündet. Wir planen eine Säuberung der Wunde und eine Hauttransplantation im Anschluss.

2 Tage - 100 Patienten gesehen und 70 Operationen geplant

Nach 2 Tagen haben wir über 100 Patienten gesehen und 70 Operationen geplant, die am nächsten Tag losgehen. Auch da gibt es einige Herausforderungen, wir müssen viel improvisieren und als Team müssen wir uns natürlich erst einspielen. Außerdem gibt es 5 lokale Op Mitarbeiter, die wir mit einbeziehen möchten.

Die Operationen sind für mich sehr spannend, ich lerne viel, aber es ist auch anstrengend. Licht und Klimaanlage fallen immer wieder aus, ich trage eine Stirnlampe, die drückt und der OP Tisch ist nicht einstellbar, sodass ich Rückenschmerzen habe, ich schwitze einige Liter und versuche, nicht zu dehydrieren. Die Möglichkeiten sind begrenzt, so gibt es zum Beispiel kein Labor, das untersuchen könnte, welcher Keim auf der Wunde des jungen Mädchens sitzt. Wir arbeiten 6 Tage die Woche, was auch unsere lokalen Kollegen anstrengt, manchmal finden wir sie schlafend in einer Ecke. Es werden mit der Zeit immer mehr Patienten auf Station und viele ambulante kommen für die Verbandswechsel, die wir zwischen den Operationen machen, sodass die Arbeit immer mehr wird - selten schaffen wir es vor Dunkelheit aus dem Krankenhaus raus. Aber die Arbeit lohnt sich, mit deb Ergebnissen sind wir und vor allem die Patienten zufrieden, aber wir sehen auch die Herausforderungen, die so ein Land mit sich bringt. Es ist heiß, die Kinder spielen mit den Verbänden im Dreck, die Erwachsenen haben nicht den Luxus, sich schonen zu können. Eine Alte Dame empfand ihren Gips als so unbequem, dass sie ihn wieder abgebaut hat und die Unterarmfraktur umherwackelt.

Glücklich macht uns, wenn ein Junge, der einen großen Tumor auf der Nase hatte, nun zum ersten mal lächelt oder eine Studentin mit einer chronischen offenen Wunde nach Deckung des Defekts nun wieder ins College gehen kann.

Der Patient, dem wir seinen seit 10 Jahren eitrigen Unterschenkel abgenommen haben, ist wie ausgewechselt. Nachdem er nun endlich richtige Unterarmgehstützen bekommen hat, springt er durch den Patientengarten und besucht uns noch, nachdem er entlassen wurde.

Nach mehreren Wundreinigungen entschließen wir uns, die Hauttransplantation beim dem jungen Mädchen durchzuführen, damit wir im Anschluss noch Zeit haben, sie zu beobachten. Der Defekt ist ca. 40x40 cm groß, wir müssen viel Haut an ihrem Oberschenkel entnehmen, ihr Hals ist durch die langwierige Infektion so versteift, dass sie keine Vollnarkose bekommen kann. Es geht aber alles gut. Die Verbandswechsel müssen sehr vorsichtig durchgeführt werden, damit sich die Transplantierte Haut nicht wieder ablöst. Einer der lokalen Mitarbeiter so motiviert gezeigt, dass wir entscheiden, ihn darin anzulernen und er macht es richtig gut. Am letzten Tag zeigt sich, dass die Haut angegangen ist. Uns fällt ein großer Stein vom Herzen. Damit neigt sich unser Einsatz dem Ende zu. Die Gefühle sind gemischt: wir freuen uns auf saubere sanitäre Anlagen, auf frisches Essen, so viele medizinische Möglichkeiten und Vollkornbrot. Andererseits lassen wir eine Vielzahl von Patienten zurück, wissen, dass es noch Hunderte von Menschen gibt, die unsere Hilfe benötigen und würden die Verläufe gerne länger beobachten. Wir haben alle unendlich viel gelernt und hoffen, dass es nicht der letzte Einsatz gewesen ist.

Die Schön Klinik Stiftung für Gesundheit wünscht dem Projekt weiter viel Erfolg und Frau Münstermann gutes Gelingen für die Dokumentation und beteiligt sich mit einer finanziellen Unterstützung in Höhe von 2.000 Euro.

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